Starben die 12 Apostel als Märtyrer?

Ein oft vorgebrachtes Argument für die Glaubwürdigkeit des Christentums ist, dass ja die Apostel für ihre christlichen Überzeugungen als Märtyrer starben. Wäre Jesus nicht auferstanden und wäre es nur eine Erfindung der Jünger, würden diese wohl nicht ihr Leben dafür opfern.

Josh McDowell schreibt dazu in seinem Buch „Jesus von Nazareth“ im Kapitel „Wer würde für eine Lüge sterben?“ „Ich vertraue den Zeugnissen der Apostel, weil elf dieser zwölf Männer den Märtyrertod starben“ (S. 224) und führt folgende Personen auf:

Wie starben die 12 Apostel?

Schauen wir uns diese Behauptung nun mal genauer an. Tatsache ist, dass in der Bibel selbst, nur von einer Person berichtet wird. In der Apostelgeschichte Kap. 12 liest man, dass Herodes Jakobus (den Bruder des Johannes) mit dem Schwert töten ließ. Der Grund dafür wird nicht angegeben.

Ebenso lesen wir in der Apostelgeschichte von der Steinigung des Stephanus, aber dieser war keiner der Zwölf Apostel oder direkter Jünger Jesu. Außerdem ist es fraglich, ob die Juden wirklich Stephanus gesteinigt hatten, denn den Juden war es von den Römern her verboten jemanden zu steinigen.

Das Argument, die Apostel hatten ja nichts davon ihren Glauben zu verbreiten und sie wurden verfolgt und getötet stimmt zumindest für den Anfang der Entstehung der christlichen Gemeinde schonmal nicht. In der Apostelgeschichte liest man:

Erst Jahre später kam es zu Christenverfolgungen.

Nun aber zurück zu den oben genannten Personen. Woher stammen nun die Behauptungen, dass die Apostel eines unnatürlichen Todes als Märtyrer gestorben sind? Um es gleich vorwegzunehmen, fast alle Berichte dazu stammen aus apokryphen (außerkanonischen Schriften) oder legendenhaften Berichten.

Tod des Petrus

Die Information, dass Petrus in Rom gekreuzigt wurde, stammt aus den Petrusakten, eine apokryphe, pseudepigraphe und nichtkanonische Apostelgeschichte aus dem 2. Jahrhundert. Der Kirchenvater Eusebius lehnt sie als glaubhaften Zeugen in seiner Historia Ecclesiastica 3.3 und 25[1] ab.

Dort heißt es in Kap. 37 (Passio Petri): „Ich beschwöre euch, ihr Henker, kreuzigt mich so, mit dem Kopf nach unten und nicht anders[2] Petrus predigt dann noch kurz und stirbt, nachdem er Amen sagt.

In Kapitel 40 erscheint der tote Petrus dann einer Person namens Marcellus, der den Leichnam von Petrus vom Kreuz nahm, ihn salbte und in einen mit Honig gefüllten Marmorsarg legte: „Petrus aber erschien Marcellus bei Nacht und sprach: Marcellus, hast du gehört, dass der Herr gesagt hat: Die Toten sollen von ihren eigenen Toten begraben werden? Und als Marcellus sagte: Ja, sagte Petrus zu ihm: Das, was du für die Toten ausgegeben hast, hast du verloren; denn du, der du noch lebst, hast dich wie ein Toter um die Toten gekümmert. Und Marcellus wachte auf und verkündete den Brüdern das Erscheinen des Petrus; und er war bei denen, die durch Petrus im Glauben an Christus gestärkt worden waren, und er selbst war noch mehr gestärkt worden bis zur Ankunft des Paulus in Rom.“

Das diese Geschichte frei erfunden und legendenhaft ist, muss hier nicht extra betont werden.

Im Ersten Clemensbrief 5,3-4 wird der Tod von Petrus erwähnt, jedoch kann man aus der Beschreibung[3] nicht auf einen gewaltsamen Tod schließen.

Tod des Andres

Auch hier gibt es wieder eine außerkanonische Apostelgeschichte über die Taten, Wunder und Martyrium des Apostels Andreas. In diesen Andreasakten heißt es dazu: „Und er befahl, dass er [Andreas] von sieben Männern gegeißelt und danach gekreuzigt werden sollte, und befahl den Scharfrichtern, dass seine Beine nicht durchbohrt und er so aufgehängt werden sollte; denn er wollte ihn auf diese Weise noch mehr quälen.[4]

Andreas weckt in diesem Bericht Tote auf, heilt zahlreiche Menschen und tut unglaubliche Wunder, z.B.: „Als sie nun durch Thrakien zogen, begegneten sie einer Schar bewaffneter Männer, die sich auf sie zu stürzen schienen. Andreas machte das Zeichen des Kreuzes gegen sie und betete, dass sie machtlos würden. Ein heller Engel berührte ihre Schwerter, und sie fielen alle zu Boden, und Andreas und seine Begleiter gingen vorbei, während sie ihn anbeteten. Und der Engel entfernte sich in einem großen Licht.“ (Kap. 9)

Eusebius kommentiert die Andreasakten folgendermaßen: „Man darf sie daher nicht einmal zu den unechten Schriften zählen, sondern muss sie als vollendeten Unsinn und als religionswidrig verwerfen.“[5]

Tod des Matthäus

Zu Matthäus Tod gibt es unterschiedliche Berichte. Laut dem Brief von Hippolyt[6] über die 12 Apostel starb Matthäus eines natürlichen Todes: „Matthäus aber schrieb das Evangelium in hebräischer Sprache und veröffentlichte es zu Jerusalem und entschlief zu Hierees, einer Stadt in Parthien.“[7] Weder Eusebius noch Hieronymus erwähnen einen gewaltsamen Tod des Matthäus, obwohl sie beide sein Wirken in Palästina erwähnen.

Erst spätere Schriften wie z.B. das Martyrologium Hieronymianum (um 450 n. Chr.) oder das Breviarium Apostolorum (um 600 n. Chr.) machen aus ihm dann einen Märtyrer wobei verschiedene Todesursachen (Verbrennung, Enthauptung mit einem Schwert oder durch einen Speerstich) erwähnt werden.

Tod des Johannes

Laut Irenäus von Lyon[8] soll Johannes noch zur Zeit von Trajan (98–117 n. Chr.) gelebt haben. Selbiges liest man auch im schon genannten Brief von Hippolyt.

Tertullian erwähnt in De praescriptione haereticorum lediglich folgende Legende: „wo der Apostel Johannes, nachdem er, in siedendes Öl getaucht, keinen Schaden gelitten hat, auf eine Insel verbannt wird![9]

Von einem Märtyrertod berichtet keine einzige Schrift[10], weswegen die meisten Historiker auch davon ausgehen, dass er eines natürlichen Todes in der Verbannung gestorben ist.

Tod des Jakobus (Sohn des Alphäus)

Von diesem Apostel weiß man kaum etwas. Auch in der Bibel findet er nur in den Apostellisten (Mt 10,3; Mk. 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13) Erwähnung.

Über seinen Tod heißt es im Brief von Hippolyt: „Jakobus aber, der Sohn des Alphäus, wurde, als er in Jerusalem predigte, von den Juden gesteinigt und dort neben dem Tempel begraben.“ Während es im Martyrologium Hieronymianum heißt er wäre in Persien gekreuzigt worden.

Sean McDowell Schlussfolgerung dazu lautet: „Es muss jedoch eingeräumt werden, dass die Berichte des Jakobus spät und historisch unbestimmt sind.“[11]

Tod des Philippus

Eusebius berichtet in seiner Kirchengeschichte von einem Brief von Polykrates (2. Jhd. n. Chr.) in welchem es heißt: „Philippus, einen der zwölf Apostel, der in Hierapolis entschlafen ist[12].  Von einem ebenso natürlichen Tod liest man in der apokryphen Apostelgeschichte des Abdias von Babylon (Buch 10). Angeblich heiratet Philippus in Hierapolis und starb dort mit 87 Jahren.

In der legendenhaften Apostelgeschichte des Philippus (Acta Philippi) aus dem 4 Jhd. n. Chr., in welcher auch ein Leopard mit menschlicher Stimme mit Philippus spricht, liest man, dass Philippus zusammen mit Bartholomäus und seiner Schwester Mariamne gefangen genommen und gegeißelt wurden und weiters: „Sie zogen die Apostel aus und durchsuchten sie nach Amuletten, durchbohrten Philippus' Knöchel und Schenkel und hängten ihn kopfüber auf, und Bartholomäus hängten sie nackt an den Haaren auf. Und sie lächelten einander an, als würden sie nicht gequält. Mariamne aber wurde, als sie entkleidet wurde, wie eine gläserne Arche voll Licht und Feuer, und alle liefen davon.“[13]

Tod des Simon Zelotes (der Eiferer oder der Kananäer)

Ebenso wie bei Jakobus Alphäus liest man von ihm in der Bibel nur etwas in den Apostellisten.

Über seinen Tod heißt es im Brief von Hippolyt: „Simon der Zelot, der Sohn des Klopas, der auch Jude genannt wird, wurde nach Jakobus dem Gerechten Bischof von Jerusalem, entschlief und wurde dort im Alter von 120 Jahren begraben.“

Das Breviarium Apostolorum widerspricht dem friedlichen Einschlafen und schreibt „Nach hundertzwanzig Jahren war er würdig, während der Herrschaft Hadrians das Martyrium der Passion durch das Kreuz zu erleiden.“

Andere Überlieferungen berichten von seinem Tod in Persien (Passio Simonis et Judae), im Kaukasus (Moses von Choren) oder in England (Dorotheos von Tyros).

In der Ikonografie wird Simon meist mit einer Säge dargestellt, da er laut Überlieferung auch zersägt wurde. Wie auch immer, die Darstellungen sind höchst unterschiedlich und so schreibt Sean McDowell „Es wird behauptet, er sei gekreuzigt, mit einem Schwert erschlagen, mit einer Axt erschlagen und sogar friedlich gestorben. Es gibt sowohl östliche als auch westliche Berichte über seine angebliche Kreuzigung, aber angesichts der Tatsache, dass die Kreuzigung eine übliche Hinrichtungsmethode war und die Hagiographen die Apostel ähnlich wie den gekreuzigten Christus darstellen wollten, hat dies nur einen begrenzten Beweiswert.“[14]

Tod des Judas Thaddäus/Lebbäus

Nach einer koptischen Tradition stirbt Judas friedlich in Syrien, ebenso in der Thaddäus-Akte:nachdem er [Thaddæus] viele gelehrt und erleuchtet hatte, entschlief er am einundzwanzigsten des Monats August.“[15] und ebenso laut dem Brief von Hippolyt „Judas, der auch Lebbaeus genannt wird, predigte dem Volk von Edessa und dem ganzen Zweistromland und entschlief zu Berytus und wurde dort begraben.

Laut Abdias wird er in Persien mit Schwertern getötet. Eine andere Version berichtet von Stöcken. Auch hier schlussfolgert Sean McDowell: „Was sein Schicksal betrifft, so gibt es Überlieferungen, wonach Thaddäus als Märtyrer starb, einschließlich Tod durch das Schwert, Steinigung, Schläge mit Stöcken, Pfeilschüsse, sowie einige Martyriumsberichte, die seine Todesart nicht beschreiben. Es gibt aber auch einige Berichte, nach denen er friedlich gestorben ist. Berichte über seinen friedlichen Tod und sein Martyrium finden sich sowohl in östlichen als auch in westlichen Traditionen. Es scheint unabhängige Linien von seinem Martyrium zu geben, aber auch unabhängige Linien von seinem natürlichen Tod. Die Überlieferungen variieren beträchtlich in Bezug auf das Wann, Wie, Warum, Wo und ob er als Märtyrer starb, was bedeuten könnte, dass es kein bekanntes Schicksal für Thaddäus gab und Geschichten aus dem Nichts erfunden werden konnten, um den theologischen Bedürfnissen verschiedener Gemeinschaften gerecht zu werden“.[16]

Tod des Thomas

Die früheste Erwähnung von seinem Tod findet man in den apokryphen Thomasakten. Dort heißt es „Und als er [Thomas] so gebetet hatte, sagte er zu den Soldaten: Kommt her und vollbringt die Befehle dessen, der euch gesandt hat. Und die vier kamen und durchbohrten ihn mit ihren Speeren, und er fiel nieder und starb.[17]

Ähnlich berichten es der Brief von Hippolyt: „Und Thomas predigte den Parthern, den Medern, den Persern, den Hyrkanern, den Baktriern und den Margianern und wurde in Calamene, der Stadt Indiens, mit einem Speer aus Kiefernholz durch die vier Glieder seines Leibes durchbohrt und dort begraben.“

Ephräm der Syrer berichtet in Carmina Nisibena II.1.42 vom gewaltsamen Tod des Apostels in Indien.

Tod des Bartholomäus

Im apokryphen Buch Martyrium des Bartholomäus heißt es: „Da zerriss der König den Purpur, in den er gekleidet war, und befahl, den heiligen Apostel Bartholomäus mit Ruten zu schlagen und, nachdem er so gegeißelt worden war, zu enthaupten.“[18]

Ähnlich berichten es der Brief von Hippolyt: „Bartholomäus wiederum predigte den Indern, denen er auch das Evangelium nach Matthäus gab, und wurde mit dem Kopf nach unten gekreuzigt und in Allanum, einer Stadt im großen Armenien, begraben.“

Ab dem 6. Jhdt. gibt es dann noch Berichte, dass Bartholomäus gehäutet wurde.

R. A. Lipsius stellt fest, dass die Berichte über den Tod von Bartholomäus sehr unterschiedlich sind: "In der gnostischen Legende wird Bartholomäus gekreuzigt, in der koptischen Erzählung wird er in einen Sack voller Sand gesteckt und dann im Meer versenkt, in der armenischen Sage wird er mit Knüppeln geschlagen, in einer vierten Tradition (die wahrscheinlich aus Persien stammt) wird er gehäutet, und in einer fünften Tradition wird er schließlich enthauptet."[19]

Tod des Jakobus, Sohn des Zebedäus, Bruder des Johannes

Wie schon oben erwähnt findet man Jakobus Tod lediglich in der Apostelgeschichte beschrieben (Kap. 12). Herodes Agrippa (41-44 n. Chr.) ließ ihn mit dem Schwert töten. Nach heutigem Forschungsstand gibt es außerhalb des Neuen Testaments keine Belege für die Historizität des Jakobus.

Fazit:

Die Behauptung, alle Apostel bis auf Johannes, sind einen Märtyrertod gestorben, ist falsch! Wenn namhafte Kirchenväter wie Eusebius oder Tertullian den Tod eines Apostels erwähnen, dann ist dieser auf natürliche Art gestorben bzw. eingeschlafen. Ist von einem gewaltsamen Tode die Rede, ist die Quelle fast immer ein legendenhaftes apokryphes Buch. Diese Berichte sind dann zusätzlich ausgeschmückt mit Wunderberichten und unzähligen Heilungen der jeweiligen Apostel. Oftmals unterscheidet sich die Todesursache und der Ort des Todes, so dass es keinen einheitlichen Bericht gibt. Hier kann man sich zurecht die Frage stellen, wie glaubwürdig diese Überlieferungen sind.

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Fußnoten

[1] https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-3495/versions/kirchengeschichte-bkv-2/divisions/47 und https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-3495/versions/kirchengeschichte-bkv-2/divisions/69

[2] http://www.earlychristianwritings.com/text/actspeter.html

[3]Stellen wir uns die guten Apostel vor Augen: einen Petrus, der wegen ungerechter Eifersucht nicht ein oder zwei, sondern vielerlei Mühseligkeiten erduldet hat und, nachdem er so sein Zeugnis (für Christus) abgelegt hatte, angelangt ist an dem ihn gebührenden Orte der Herrlichkeit.“ https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1001/versions/clem-1clem-bkv/divisions/6

[4] http://www.earlychristianwritings.com/text/actsandrew.html

[5] https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-3495/versions/kirchengeschichte-bkv-2/divisions/69

[6] Hippolyt war ein Kirchenvater in Rom um das Jahr 200 n. Chr. Es gibt jedoch erhebliche Debatten darüber, welche Texte von ihm echt sind und welche von Nachahmern stammen (siehe David Dunbar, 1982, The Problem of Hippolytus of Rome: A Study in Historical-Critical Reconstruction", Journal of the Evangelical Theological Society 25: 63-74). Gerade bei diesem Brief ist nicht sicher, ob er wirklich von Hippolyt von Rom ist, oder vom Pseudo-Hippolyt von Teben (7-8. Jhd. n. Chr.).

[7] https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1911/versions/hippolytus-on-the-twelve-and-on-the-seventy-apostles/divisions

[8] https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1306/versions/gegen-die-haresien-bkv/divisions/326

[9] https://bkv.unifr.ch/de/works/cpl-5/versions/die-prozesseinreden-gegen-die-haretiker-bkv/divisions/37

[10] Es gibt jedoch einen Hinweis von Philipp von Side, welcher in einem erhaltenen Fragment Papias von Hierapolis mit folgender Aussage zitiert: „Papias sagt im zweiten Band, dass Johannes, der Theologe, und Jakobus, sein Bruder, von den Juden umgebracht wurden.“ Hier geht man jedoch davon aus, dass Papias falsch zitiert wurde, da Jakobus (der Bruder von Johannes) ja nicht von den Juden umgebracht wurde, sondern von Herodes (Apg. 12,2) und die Aussage somit falsch ist.

[11] Sean Joslin McDowell, 2014, A Historical Evaluation of the Evidence for the Death of the Apostles as Martyrs for Their Faith, S. 374

[12] https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-3495/versions/kirchengeschichte-bkv-2/divisions/140

[13] http://www.gnosis.org/library/actphil.htm (125)

[14] McDowell, 2014. S. 394

[15] https://en.wikisource.org/wiki/Ante-Nicene_Fathers/Volume_VIII/Apocrypha_of_the_New_Testament/Acts_of_the_Holy_Apostle_Thaddaeus

[16] McDowell, 2014. S. 385

[17] http://www.earlychristianwritings.com/text/actsthomas.html (168)

[18] https://www.newadvent.org/fathers/0825.htm

[19] McDowell, 2014. S. 353-354