Theismus vs. Naturalismus - Ein Vergleich
Erwartung bei Theismus | Erwartung bei Naturalismus | |
Beweise für Gott | Beweise für Gott sollten einfach zu finden sein, da er ja in den Menschen wohnt und mit ihnen handelt. | Es ist zu erwarten, dass Menschen an einen Gott glauben, jedoch keine Beweise für Gott zu finden sind. |
Naturgesetze | Naturgesetze werden gelegentlich durch göttliches Handeln außer Kraft gesetzt. | Kein Durchbrechen der Naturgesetze ist zu erwarten. |
Gebete | Gebete sollten funktionieren und das erbetene Ergebnis herbeiführen. (Joh. 14,13) | Gebete haben keinen Einfluss auf die Realität: Es gibt vereinzelt Zufallstreffer entsprechend statistischen Vorhersage. Gebete, die Naturgesetze verändern würden (Amputierte hellen) bleiben unerfüllt. |
Einheitlichkeit der Offenbarung | Religiöse Überzeugungen sollten überall einheitlich sein. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Gott jedem Volk eine andere, abweichende, widersprüchliche, konfliktträchtige Offenbarung mitteilt. | Es sind viele abweichende, konkurrierende, einander widersprechende religiöse Überzeugungen zu erwarten, die unter verschiedenen lokalen Einflussfaktoren lokal entstehen. |
Leben im Universum | Das Universum ist für das Leben geschaffen. Leben ist ein bedeutender Faktor im Universum. | Das Universum ist überwiegend lebensfeindlich, Leben ist ein insignifikantes Nebenereignis im Universum. |
Design des Lebens | Es ist optimal designtes Leben zu erwarten. Gott macht keine Fehler. | Es ist Leben zu erwarten, das sich in einer verzweigten Evolution mit zahlreichen Sackgassen und Umwegen entwickelt hat und noch weiterentwickelt. Es sind Kompromisse, „Design-Fehler" und Überbleibsel aus früheren Entwicklungsstufen zu erwarten. |
Heilige Texte | Es sind relevante Informationen in den Offenbarungen des Schöpfer-Gottes zu erwarten, die das Leben der Anhänger verbessern. (z.B. über Krankheitserreger, Wasseraufbereitung, Elektrizität). Fehlerhafte oder selbstwidersprüchliche Informationen sind nicht zu erwarten. | Es sind inhomogene Texte mit interessanten, langweiligen, mythologischen ethischen und barbarischen Passagen zu erwarten, die den begrenzten menschlichen, fehlerhaften Wissenstand ihrer jeweiligen Entstehungszeit widerspiegeln. |
Religiose Gesetze | Es sind stabile, religiöse Dogmen zu erwarten, die dauerhaft gültig sind. (Ps. 119,89.160) | Es sind wandelhafte religiöse Dogmen zu erwarten, die sich an wechselnde gesellschaftliche Änderungen anpassen. |
Ethik | Es sind transzendente, überzeitlich gültige, fortschrittliche, sinnvolle ethische Gesetze zu erwarten. Gewaltlosigkeit, Gleichberechtigung der Frau, Verbot von Sklaverei, Respekt gegenüber allen anderen Menschen sind göttlich verordnet und werden von Gott und seinen Propheten vorgelebt. | Es sind inkonsistente, lokal verschiedene, unterschiedlich sinnvolle Stammesregeln zu erwarten, die durch gesellschaftlichen Diskurs allmählich zu modernen Normen umgeformt werden. |
Leid in der Welt | Leid (sofern überhaupt erklärbar) sollte Gesetzmäßigkeiten folgen. Gläubige sollten weniger stark von Leid betroffen sein als Nicht-Gläubige (Eph. 6,3). Es sind Gerechtigkeit und ethische Ordnung in der Natur zu erwarten. | Leid entsteht als psychologische Funktion im Rahmen der Evolution. Es kann durch zufällige Ereignisse wie Naturkatastrophen ausgelöst werden und betrifft prinzipiell alle Menschen in gleichem Maß. Gerechtigkeit und ethische Ordnung sind in der Natur nicht zu erwarten. |
Körper-Geist-Problem | Es ist zu erwarten, dass Bewusstsein/Geist/Persönlichkeit unabhängig vom Körper sind (Seele). | Es ist zu erwarten, dass Bewusstsein/Geist/Persönlichkeit abhängig vom Körper sind und sich bei Änderungen oder Störungen im Gehirn (Hirntrauma, Müdigkeit, Alkohol) vorhersehbar verändern. |
Kommentare
(vor 2 Monaten)
Viele der genannten Punkte sind sicherlich Argumente für den Naturalismus bzw. gegen eine gewisse Form des Theismus (wobei ich glaube, dass es bei vielen der genannten Punkte schon auch Antwortmöglichkeiten gibt.)
Ich hab mir mal die Mühe gemacht, eine Aufzählung in die andere Richtung zu machen. Sicherlich kann man auch hier für viele Punkte Gegenargumente finden, aber es ist auf jeden Fall ernst zu nehmen:
Theismus vs Naturalismus
- Es ist zu erwarten, dass es ein Universum gibt vs das ist nicht zu erwarten (kosmologisches Argument, z.B. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/9781444308334.ch2)
- Es ist zu erwarten, dass das Universum Naturgesetzen folgt vs es ist wenn überhaupt ein chaotisches Universum zu erwarten (Argument from Order of the Universe, https://academic.oup.com/book/1828/chapter-abstract/141537876?redirectedFrom=fulltext)
- Es ist zu erwarten, dass die Bedingungen so sind, dass Leben entstehen kann vs es ist nicht zu erwarten, dass Leben entstehen kann. (Argument from Fine-Tuning: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/9781444308334.ch4)
- Es ist Bewusstsein zu erwarten vs es ist kein Bewusstsein zu erwarten. (https://academic.oup.com/book/32549)
- Es ist zu erwarten, dass es freien Willen gibt vs das ist nicht zu erwarten. (Argument from free will)
- Es ist zu erwarten, dass das Bewusstsein genau zum Physischen passt vs wenn es überhaupt Bewusstsein gibt, ist zu erwarten, dass das chaotisch ist und nicht zum psychischen passt. (Argument from Psychophysical Harmony: https://philarchive.org/rec/CUTPHA)
- Es ist zu erwarten, dass sich das Universum mathematisch beschreiben lässt vs das ist nicht zu erwarten (https://en.wikipedia.org/wiki/The_Unreasonable_Effectiveness_of_Mathematics_in_the_Natural_Sciences)
- Es ist zu erwarten, dass viele Menschen religiöse Erfahrungen haben vs das ist nicht unbedingt zu erwarten. (Argument from Religious Experience: https://academic.oup.com/book/1828/chapter-abstract/141541164?redirectedFrom=fulltext)
- Es ist zu erwarten, dass alle Menschen ein Gespür für die richtige Moral haben vs es ist zu erwarten, dass Menschen - wenn überhaupt - nur irgendeine Moral haben, die evolutionär vorteilhaft ist, nicht aber die richtige. (Argument from Moral Knowledge: https://philarchive.org/rec/CRUGAM)
- Es ist zu erwarten, dass Menschen, die sterben, übernatürliche Erfahrungen machen vs das ist nicht zu erwarten. (Argument from Near-Death-Experiences: https://philarchive.org/rec/BAKGOT)
- Es ist zu erwarten, dass die Naturgesetze auf diejenigen Objekte wirken, die existieren vs das ist nicht zu erwarten (Argument from Nomological Harmony: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/nous.12463)
- Es ist zu erwarten, dass du existierst vs es ist nicht zu erwarten, dass du existierst (Anthropic Argument: https://benthams.substack.com/p/the-anthropic-argument-for-theism)
- Es ist zu erwarten, dass religiöse Bewegungen in gewissen Punkten die Welt verbessern, vs das ist nicht unbedingt zu erwarten (z.B. https://www.amazon.ca/Dominion-Christian-Revolution-Remade-World/dp/0465093507).
(vor 1 Monat)
Hallo Paul, hier ein paar Gegenargumente zu deiner Auflistung:
1. Erwartung eines Universums vs. Nicht-Erwartung: Das kosmologische Argument ist eigentlich widerlegt. Siehe: https://dittmar-online.net/kalam1.html
Die Behauptung, dass die Existenz eines Universums unter theistischen Annahmen "erwartbarer" sei, ist umstritten. Es wirft die Frage nach der Notwendigkeit Gottes selbst auf. Warum sollte Gott existieren müssen? Die moderne Kosmologie versucht, die Entstehung des Universums ohne transzendente Ursachen zu erklären.
2. Ordnung vs. Chaos: Das Argument der Ordnung setzt voraus, dass ein naturalistisches Universum chaotisch sein müsste. Dies ist keine notwendige Konsequenz des Naturalismus. Naturgesetze sind die Ordnung des Universums.
3. Feinabstimmung: Das Argument der Feinabstimmung ist ebenfalls widerlegt. Siehe: https://dittmar-online.net/finetuning.html Auch auf YouTube findet man zahlreiche Widerlegungen. z.B. https://www.youtube.com/watch?v=Z9O5wXsgqrc
4. Bewusstsein: Dieser Bereich ist sowohl in der Philosophie als auch in der Neurowissenschaft hochkomplex. Unter Naturalismus werden verschiedene Theorien diskutiert, wie Bewusstsein emergent aus physikalischen Prozessen entstehen kann. Die Behauptung, dass Bewusstsein unter theistischen Annahmen "erwartbarer" sei, ist spekulativ. Es erklärt nicht wie Bewusstsein entsteht.
5. Freier Wille: Die Existenz des freien Willens ist eine philosophische Debatte, die unabhängig von der Frage nach Gott existiert. Sowohl im Naturalismus als auch im Theismus gibt es deterministische und libertarische Positionen.
6. Psychophysische Harmonie: Dieses Argument ist eng mit dem Bewusstseinsproblem verbunden und leidet unter ähnlichen Schwächen. Es ist nicht klar, warum eine perfekte Übereinstimmung von Geist und Körper unter theistischen Annahmen "erwartbarer" sein sollte.
7. Mathematische Beschreibbarkeit des Universums: "Die unvernünftige Effektivität der Mathematik in den Naturwissenschaften" ist sicher ein interessanter Artikel. Er ist aber keine zwingende Schlussfolgerung für den Theismus. Die Mathematik könnte einfach die Struktur der Realität widerspiegeln, unabhängig von einem Schöpfer. Unsere kognitiven Fähigkeiten und unsere Sprache der Mathematik haben sich evolutionär an die Strukturen der Natur angepasst. In dem Wikipedia-Artikel finden sich ja auch noch einige Antworten auf den Artikel.
8. Religiöse Erfahrungen: Religiöse Erfahrungen sind subjektiv und können durch psychologische und kulturelle Faktoren beeinflusst werden. Ihre Existenz beweist nicht notwendigerweise die Existenz einer bestimmten Religion oder Gottes. Außerdem beansprucht jede Religion solche Erfahrungen für sich (Siehe https://www.youtube.com/watch?v=UJMSU8Qj6Go).
9. Moralisches Wissen: Die Existenz eines moralischen Kompasses ist sowohl im Naturalismus (durch Evolution und soziale Interaktion) als auch im Theismus erklärbar. Dass Gott sich aber selbst nicht an seine Moral hält, siehst du ja im AT. Und ich empfehle dir das Buch „Die Legende von der christlichen Moral“ von Andreas Edmüller
10. Nahtoderfahrungen: Nahtoderfahrungen können durch physiologische und psychologische Prozesse (Sauerstoffmangel, Endorphine, Bewusstseinsveränderungen) im sterbenden Gehirn erklärt werden.
11 Nomologische Harmonie: Das Argument, dass Naturgesetze auf alle Objekte wirken, ist tautologisch. Naturgesetze definieren, wie sich Objekte verhalten.
12. Existenz des Individuums (Anthroposches Prinzip): Das anthropische Prinzip besagt, dass wir nur in einem Universum existieren können, das Leben ermöglicht. Es ist keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit unserer Existenz unter verschiedenen metaphysischen Annahmen.
13. Positive Auswirkungen religiöser Bewegungen: Die Geschichte zeigt, dass Religionen sowohl positive als auch negative Auswirkungen (Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Inquisition, sexuelle Unterdrückung, Zwangschristianisierungen, Religionskriege) hatten. Eine pauschale Aussage über ihre "Verbesserung der Welt" ist nicht haltbar.
(vor 1 Monat)
Hallo Markus,
vielen Dank für die ausführliche Antwort. Es ging mir eigentlich nur darum zu zeigen, dass es auch vertretbare Argumente in die andere Richtung gibt und wenn ich ganz ehrlich bin sehe ich das auch nach deiner Antwort noch so. Wie ich schon schrieb, gibt es natürlich Antwortmöglichkeiten für den Naturalisten, aber ich würde nicht sagen, dass diese in jedem Fall das Argument widerlegen.
Hier meine Kommentare zu den einzelnen Punkten:
- Erwartung eines Universums vs. Nicht-Erwartung Das ist natürlich ein riesiges Thema und ich bin sicher kein Experte, aber allein die Tatsache dass kosmologische Argumente immer noch diskutiert werden, zeigt doch, dass sie nicht endgültig “widerlegt” sind. (Sogar das Kalam-Argument wird noch diskutiert, aber auch viele andere kosmologische Argumente).
Bzgl. Notwendigkeit: Letztendlich müssen sowohl Theist als auch Naturalist irgendeinen notwendigen “brute fact” postulieren. Der Theist Gott und der Naturalist z.B. die Naturgesetze. Jetzt ist die Frage, welcher “brute fact” simpler bzw. plausibler ist und man kann durchaus argumentieren, dass das Gott ist. Siehe z.B. die Arbeiten von Richard Swinburne oder Rasmussens Argument from Arbitrary Limits (https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-23752-3_6).
Bzgl. Kosmologie: Natürlich sollte man versuchen, die Entstehung des Universums naturalistisch zu erklären. Aber erstens sind meines Wissens nach bisher alle Versuche gescheitert und zweitens gibt es gute Gründe anzunehmen, dass das so gar nicht funktionieren kann. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse (und kosmologischen Berechnungen) nehmen die geltenden Naturgesetze an. Wie soll man dann die Entstehung der Naturgesetze wissenschaftlich erklären? - Ordnung vs. Chaos Es geht doch letztendlich um Wahrscheinlichkeiten. Gott hat Gründe, ein geordnetes Universum zu erschaffen, in dem sich “alle Atome immer gleich verhalten”. Gibt es unter Naturalismus einen Grund, warum ein geordnetes Universum wahrscheinlich sein sollte? Was hilft es da, die Ordnung einfach “Naturgesetze” zu nennen? Ich empfehle dieses Papier, falls du dich für ein Argument interessierst, weshalb man unter Naturalismus Chaos erwarten würde: https://ora.ox.ac.uk/objects/uuid:c5b38258-34e9-42e4-9c58-1f8086cedd7a/files/m95882d9cd46669b081f3a4d6fd52468b
- Feinabstimmung: Natürlich gibt es Versuche, das zu erklären, aber zumindest die in deinem Link fand ich größtenteils nicht so überzeugend. Hier nur ein paar Punkte:
1. Ich bin kein Physiker, aber die Mehrheitsmeinung ist nach wie vor, dass Feinabstimmung wirklich existiert.
2. Einfach “Notwendigkeit” zu postulieren, löst das Problem überhaupt nicht.
3. Natürlich könnte unter manchen anderen Bedingungen evtl. anderes Leben entstehen, aber mindestens bei manchen Fällen von Feinabstimmung würde sich überhaupt keine richtige Materie bilden bzw. das Universum sofort kollabieren. Wie soll unter solchen Bedingungen Leben entstehen?
4. Das Multiversum ist zwar die beste Antwort, aber auch hier gibt es einige Probleme: z.B. dass “Bultzmann-Gehirne” evtl. viel wahrscheinlicher wären als unsere Gehirne, dass der Multiversums-Entstehungs-Mechanismus auch fein abgestimmt sein müsste oder das neue Argument von Robin Collins zu “Fine-Tuning for Discoverability” (https://academic.oup.com/book/11666/chapter-abstract/160600732?redirectedFrom=fulltext) Außerdem läuft das Multiversum völlig der Suche nach einer simplen Erklärung (Occam´s razor) zuwider. Mit einer unendlichen Anzahl von verschiedenen Universen kann man natürlich alles erklären. - Bewusstsein: Es ist doch offensichtlich, dass Bewusstsein unter Theismus zumindest wahrscheinlicher ist als unter Naturalismus. (Wenn du nur die Naturgesetze kennst, würdest du nie erwarten, dass Bewusstsein entstehen kann, wenn du weißt das Gott existiert, allerdings schon). Dazu muss der Theist überhaupt nicht erklären, wie Bewusstsein entsteht. Die Tatsache, dass es evtl oder sogar vermutlich gar nicht wissenschaftlich erklärbar ist, spricht sogar für den Theismus.
- Freier Wille: Kannst du mir Beispiele für libertarische Positionen im Naturalismus nennen? Ich kenne ehrlich gesagt niemanden, der das vertritt. Ist auch schwierig, wenn alles letztlich den Naturgesetzen folgt. Deshalb sind die allermeisten Atheisten Kompatibilisten, aber es ist sehr fragwürdig, ob man das überhaupt als freien Willen bezeichnen kann.
- Psychophysische Harmonie: Dass unter Theismus Harmonie zu erwarten ist, ist doch relativ klar. Aber warum sollte man unter Naturalismus Harmonie erwarten? Sobald der Naturalist keinen “A-Priori-Physicalism” vertritt (also auch wenn Bewusstsein eine “emergente Eigenschaft” ist), braucht er doch eine Erklärung für die Harmonie. Für mich momentan fast das beste Argument.
- Mathematische Beschreibbarkeit des Universums: Ich kenne mich in dem Bereich leider zu schlecht aus. Ich kann nur sagen, dass sehr viele Mathematiker sagen, dass Mathematik “entdeckt” und nicht erfunden wurde. Man kann sicherlich mehr dazu sagen, müsste sich aber erst in die Literatur einlesen.
- Religiöse Erfahrungen: Natürlich beweisen Erfahrungen nichts endgültig, aber zumindest sind sie eine gewisse Evidenz, die man ernst nehmen sollte. Aber natürlich ist die Diversität ein Argument gegen bestimmte Interpretationen in Richtung einer speziellen Religion.
- Moralisches Wissen: Ich glaube, du hast das verlinkte Paper nicht gelesen oder das Argument nicht verstanden. Ich habe bewusst nicht das klassische “Moral Argument” sondern das “Moral Knowledge Argument” genannt. Moral im AT und im Christentum generell hat zwar mit dem Thema nichts zu tun, ist aber natürlich vermutlich ein Argument gegen das Christentum.
- Nahtoderfahrungen: Selbst wenn es stimmt, dass NDEs durch physiologische und psychologische Prozesse im sterbenden Gehirn erklärt werden können, gibt es immer noch die Berichte von übernatürlichen Ereignissen im Kontext von NDEs. (z.B. dass Leute Sachen gesehen haben, die sie nicht wissen konnten)
- Nomologische Harmonie: Hast du das Papier denn gelesen? Die Frage ist, warum die existierenden Naturgesetze auf die existierenden Objekte wirken. Es ist leicht vorstellbar, dass es nur Objekte der Art X gibt und nur Naturgesetze die für Objekte der Art Y gelten. Das Argument ist relativ neu und muss sicherlich geprüft werden, ganz so einfach ist es aber nicht.
- Anthropisches Argument: Ich glaube, du hast das Argument nicht gelesen oder nicht verstanden. Das anthropische Argument hat mit dem anthropischen Prinzip nicht wirklich was zu tun. Ist aber zugegebenermaßen auch sehr neu und existiert bisher nur in Form des oben verlinkten Blogposts. Hoffentlich wird das bald veröffentlicht und in der Literatur diskutiert.
- Positive Auswirkungen Religiöser Bewegungen: Ich würde schon sagen, dass z.B. “wahres Christentum” die Welt (fast) immer besser gemacht hat, gebe aber zu dass das kein wirklich starkes Argument gegen den Naturalismus ist.
Fazit: Die Frage nach Gottes Existenz ist hochkomplex. Jeder, der sich ernsthaft in die philosophische Literatur einliest, muss zu dem Schluss kommen, dass es nicht so ist wie sowohl der Fundamentalist (“Gott ist absolut unbestreitbar, es gibt keine Gegenargumente”) als auch der militante Atheist (“jeder Gottesglaube ist absurd”) oft meinen. Die Frage ist wie man mit der Unsicherheit umgeht. Der Atheist würde sie als Evidenz gegen Gott deuten (Argument from Divine Hiddeness: https://plato.stanford.edu/entries/divine-hiddenness/), der Theist würde sie als Grund nehmen, zu glauben oder zumindest nach Gott zu suchen (Pascalsche Wette: https://plato.stanford.edu/entries/pascal-wager/).
Ich kann gerne auf einzelne Argumente (z.B. zum fine-tuning) genauer eingehen, aber ich denke, mein Punkt ist klar geworden.
(vor 1 Monat)
Hallo Paul,
natürlich habe ich nicht alle deine Papers gelesen, die du gepostet hast. Mit den ganzen Argumenten beschäftigen sich ja weit intelligentere Personen als wir. Was soll es da bringen über einzelne Papers zu diskutieren? Natürlich könne ich jetzt wieder auf deine einzelnen Punkte eingehen z.B. dass "wahres Christentum" schonmal eine "No true Scotsman"-Fallacy wäre usw.
Die Frage ob Theismus oder Naturalismus wahrscheinlicher ist, ist glaube ich eine Frage, die sich mit zunehmendem Wissen immer mehr in Richtung Naturalismus verschiebt. Das sieht man ja auch in der Geschichte.
Was man schlussendlich für plausibler hält, bleibt dann jedem selbst überlassen. Tatsache ist halt, dass sich ein Gott nicht beweisen lässt und sich der Wissenschaft entzieht. Alles was man über Götter weiß steht in alten Büchern, welche von den Anhängern der Religion niedergeschrieben und überliefert wurden.
Meine Webseite beschäftigt sich ja auch nicht wirklich mit dem Thema, sondern liefert Gründe, warum die Bibel unglaubwürdig und der christliche Glaube somit hinfällig ist. Darüber können wir gerne bei den entsprechenden Artikeln weiterdiskutieren.
(vor 1 Monat)
Du hast Recht, natürlich kann unsereins solche Fragen nicht abschließend klären. Es ging mir ja auch nur darum, zu zeigen, dass es vernünftige Argumente in beide Richtungen gibt.
Ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher, ob es sich mit zunehmendem Wissen immer mehr in Richtung Naturalismus verschiebt, gerade wenn man sich Erkenntnisse aus der Kosmologie (z.B.fine-tuning), der Quantenphysik oder mittlerweile sogar der Biologie (Stichwort “Teleology in Biology”) anschaut.
Ich hab natürlich auch die ganzen Widersprüche in der Bibel angeschaut und will dazu nur so viel sagen: Man sollte immer versuchen, die stärkste Form seines Gegners anzugreifen und ich hab nicht den Eindruck, dass du das tust.
Wenn man ein Schriftverständnis hat wie im Islam, also wenn man glaubt, die Bibel sei “als direktes Gotteswort vom Himmel gefallen”, dann sind die ganzen Widersprüche natürlich ein Problem. Dann kann z.B. eine falsche Gewichtsangabe in 1. Chronik dazu führen, dass man das ganze Christentum verwirft. Ein solches Schriftverständnis ist aber nicht nur vollkommen naiv (es übersieht völlig was für eine Art von Buch die Bibel ist), sondern einfach nicht repräsentativ für das Christentum. Selbst in der frühen Kirche haben z.B. nicht alle Kirchenväter den Schöpfungsbericht wörtlich genommen.
Jetzt kann man natürlich sagen, “warum offenbart sich Gott in so einer Form?” oder “wie kann man mit einem anderen Schriftverständnis in der Bibel noch Offenbarung sehen?”. Es ist aber nicht unmöglich, darauf Antworten zu finden. Hier würde ich z.B das Buch “Revelation: From Metaphor to Analogy” von Richard Swinburne empfehlen.
Jedenfalls machst du es dir meiner Meinung nach viel zu einfach, wenn du aus den Widersprüchen direkt schließt, dass “die Bibel unglaubwürdig und der christliche Glaube somit hinfällig ist.” Du greifst eine Form des Christentums an, die offensichtlich falsch ist, ohne zu sehen, dass es auch vernünftige Christen gibt.
(vor 1 Monat)
Zur Zeit der Mesopotamier und zur Zeit Jesu gab es glaube ich keine Atheisten. Nach der Aufklärung und der Zunahme der wissenschaftlichen Forschung (die dann oft einem religiösen Denken widerspricht) gab es immer mehr Atheisten. Und ich denke, das wird so weitergehen. In der Quantenphysik hat man Gott auch nicht entdeckt und "Teleology in Biology" halte ich auch nicht für plausibel.
Die Widersprüche in der Bibel sind nur ein Add-on und keineswegs der Grund warum ich den Glauben verloren haben. Siehe dazu: https://bibellexikon.com/mein_ausstieg.php
Natürlich richtet sich meine Webseite hauptsächlich gegen ein fundamentalistisches Schriftverständnis. Aber ich habe ja auch Argumente gegen das Christentum selbst, unabhängig vom Schriftverständnis. Wenn beispielsweise Jesus nicht der Messias war, dann ist der christliche Glaube auch hinfällig. Ich denke, dass mein Artikel https://bibellexikon.com/themen_messiaserwartung_judentum_versus_christentum.php hier einige gute Argumente aufzeigt.
(vor 1 Monat)
Ich hatte ja nur gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, dass es sich mit zunehmendem Wissen immer mehr in Richtung Naturalismus verschiebt.
Ich würde sagen, es gibt drei Punkte, in denen Naturwissenschaft Religion angreift:
1. Polytheismus (früher glaubte man an “Donnergottheiten”, bis man Donner durch Naturgesetze erklären konnte)
2. Wörtliches Schriftverständnis.
3. Ein biologisches Design-Argument verschwindet durch Evolution
Aber wird der klassische Theismus (Gott als Ursprung aller Dinge jenseits von Raum und Zeit) durch Naturwissenschaft angegriffen? Durch Punkt 1 überhaupt nicht, durch Punkt 2 höchstens schwach und durch Punkt 3 fällt halt ein Argument weg (wobei es sich durchaus argumentieren lässt, dass das nicht ganz wegfällt: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-030-69683-2.)
Auf der anderen Seite: je komplizierter die Naturgesetze, die man entdeckt, desto mehr schreien die doch nach einer simplen, vereinheitlichenden Erklärung, v.a. wenn es so aussieht als seien sie feinabgestimmt. Und dann gibt es noch Punkte wie Quantenmechanik, “Teleology in Biology” oder “Die mathematische Beschreibbarkeit des Universums”. Natürlich kann unsereins diese Punkte nicht abschließend beurteilen, aber zumindest gibt ernstzunehmende Wissenschaftler/Philosophen, die in Quantenmechanik (z.B. der Tatsache, dass scheinbar “Information” und nicht Raum-Zeit fundamental ist) oder dem Universum Hinweise auf Gott sehen und die an “Teleology in Biology” glauben.
Dass viele Aspekte von Jesus nicht in der damaligen Messiaserwartung enthalten sind, stimmt natürlich, die Frage ist ob deswegen das Christentum falsch ist. Das ist sicher ein Argument über dass man jetzt ausführlich diskutieren könnte, aber in vielen Punkten gebe ich dir da wahrscheinlich recht.
Ansonsten würde ich sagen, dass die anderen 4 Punkte die du auflistest, ziemlich stark vom "fundamentalistischen" Schriftverständnis abhängen.
(vor 4 Wochen)
Wenn natürliche Phänomene früher durch Götter erklärt wurden und nun durch Naturgesetze, warum sollte ein ähnliches Prinzip nicht auch für andere metaphysische Konzepte gelten?
Theismus bzw. ein Gott entzieht sich der Naturwissenschaft, weswegen der Theismus auch schwer wissenschaftlich angreifbar ist. Oder wo ist denn Gott, damit man ihn mit naturwissenschaftlichen Methoden erkennen bzw. beweisen könnte? Er zeigt nicht sich ja nicht direkt. Wenn man dann sagt, ich kann diese oder jene Dinge nicht erklären, deswegen muss ein Gott dahinterstehen, dafür braucht man schon einen sehr großen Glauben.
Das Einzige, was du hier mit den Argumenten gewinnen kannst, ist ein Eingeständnis für Deismus. Also das ein Gott die Schöpfung initiiert hat sich aber nun nicht mehr zeigt.
Dass Gott sich gerade in Jesus geoffenbart hat (und nicht in Vishnu, Anu, Brahma, oder Mohammed) und das Christentum wahr ist, steht da auf einem ganz anderen Blatt und muss an anderer Stelle diskutiert werden.
(vor 4 Wochen)
“Wenn natürliche Phänomene früher durch Götter erklärt wurden und nun durch Naturgesetze, warum sollte ein ähnliches Prinzip nicht auch für andere metaphysische Konzepte gelten?” Weil es gute Gründe gibt, dass das nicht funktioniert (wie soll man z.B. Naturgesetze durch Naturgesetze erklären?) oder die benötigten Naturgesetze extrem kompliziert und deshalb a priori unwahrscheinlich wären.
Naturgesetze schreien doch auch nach einer Erklärung und je mehr (feinabgestimmte) “Naturgesetze” man einfach so postulieren muss, desto eher kommt man irgendwann an den Punkt, dass eine simple Erklärung in Form von Gott wahrscheinlicher ist. Stell dir vor, Astronomen würden herausfinden, dass gewisse Sterne genau so angeordnet sind, dass sie das Glaubensbekenntnis von Nizäa “in den Himmel schreiben”. Natürlich könnte man sagen, “die Naturgesetze sind halt so, das ist keine Evidenz für das Christentum”. So funktioniert aber doch Wissenschaft/Philosophie nicht. Das wäre offensichtlich Evidenz für das Christentum.
Genauso ist es z.B. mit dem Bewusstsein. Es gibt Gründe, zu glauben, dass sich Bewusstsein nicht durch die uns bekannten Naturgesetze erklären lässt. (Die Naturgesetze beschreiben alles funktional, während Qualia phänomenal sind.) Jetzt kannst du natürlich sagen, es gibt noch weitere Naturgesetze - psychophysische Gesetze, die die “Seele” mit dem Gehirn verbinden. Natürlich könnte es theoretisch sein, dass diese Gesetze -genau wie die physischen Naturgesetze - einfach so existieren und sogar noch feinabgestimmt sind (psycho-physische Harmonie), aber das ist unter Naturalismus extrem unwahrscheinlich und völlig ad hoc, weshalb man eine einfache Erklärung in Form von Gott bevorzugen könnte.
Natürlich kann man Gott nicht direkt mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen (auch wenn man natürlich für einzelne Argumente naturwissenschaftliche Erkenntnisse verwenden kann). Das hat der klassische Theismus aber auch nie behauptet. Deswegen ist das ja eine Frage der Philosophie. Die Punkte auf dieser Seite sind ja auch philosophische Argumente.
Ja stimmt, die meisten Argumente, die ich genannt habe, sprechen erstmal nur für einen deistischen Gott. Eine Ausnahme sind vielleicht Argumente mit Bezug auf Bewusstsein/freier Wille, welche darauf hindeuten, dass die Menschen tatsächlich geplant sind. (Interessanterweise halte ich diese Argumente für die Stärksten.) Um zu einer spezifischen Religion zu kommen, bräuchte man natürlich andere Argumente (z.B. Plausibilität der Lehren oder Wunder). Das ist aber weder der Inhalt dieser Seite noch würde ich mich selber einer Religion zuordnen, deshalb habe ich nur die allgemeinen Punkte genannt.
(vor 4 Wochen)
Hier möchte ich noch betonen, dass Wissenschaft nicht zwangsläufig letztgültige Antworten sucht, sondern Modelle entwickelt, die Beobachtungen konsistent erklären. Naturgesetze sind keine „Dinge“, die einer weiteren Erklärung bedürfen, sondern Muster, die wir aus der Beobachtung der Realität abstrahieren.
Die Frage, „Warum gibt es überhaupt Naturgesetze?“ ist sicherlich eine tief philosophische. Eine mögliche Antwort ist das Konzept der Kontingenz: Es könnte sein, dass es keine weitere Erklärung gibt und dass die Naturgesetze einfach eine Tatsache sind.
Eine Erklärung durch einen Gott scheint zwar intuitiv einfach, bringt aber eigene Probleme mit sich: Warum gibt es diesen Gott? Warum hat er genau diese Gesetze gewählt? Eine solche Erklärung verschiebt nur die Frage und bietet keine intrinsisch einfachere Lösung.
Es stimmt, dass das Bewusstsein und insbesondere Qualia ein (noch) ungelöstes Rätsel der Wissenschaft sind. Doch daraus zu schließen, dass es niemals eine naturalistische Erklärung geben wird, ist voreilig. Die Geschichte zeigt, dass viele einst als unerklärlich geltende Phänomene (z.B. der Ursprung des Lebens oder die Bewegung der Planeten) mittlerweile naturwissenschaftlich verstanden werden.
Du argumentierst, dass eine einfache Erklärung wie Gott wahrscheinlicher sei als eine komplizierte Natur, die sich selbst erklärt. Doch diese „Einfachheit“ ist trügerisch: Ein Gott, der in der Lage ist, Universen zu erschaffen, ist selbst eine äußerst komplexe Entität. Seine Eigenschaften – Intelligenz, Planungsfähigkeit, Macht – verlangen eine Erklärung. Einen solchen Gott zu postulieren, fügt der Gleichung zusätzliche Komplexität hinzu, statt sie zu verringern.
Dein Beispiel mit den Sternen, die das Glaubensbekenntnis von Nizäa bilden, ist faszinierend, aber es beschreibt ein Szenario, in dem empirische Evidenz klar auf übernatürliche Einflüsse hindeuten würde. Solche Evidenz fehlt uns jedoch in der realen Welt. Die Feinabstimmung oder das Bewusstsein sind keine vergleichbaren Hinweise, da sie immer noch durch naturalistische Prozesse erklärbar sein könnten.
Abschließend möchte ich sagen, dass es verständlich ist, dass Menschen in ungeklärten Fragen wie dem Bewusstsein oder der Feinabstimmung Argumente für Gott sehen. Doch die Geschichte der Wissenschaft zeigt, dass viele einst metaphysische Fragen durch Forschung erklärt werden konnten. Solange Gott nicht als notwendige Hypothese gezeigt wird, bleibt er ein Konzept, das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet.
(vor 4 Wochen)
Was wirft mehr Fragen auf als es beantwortet?
(1) Es existiert ein unlimitierter Gott.
(2) Es existiert eine Vielzahl von Naturgesetzen: Zum einen physische Naturgesetze, die relativ einfach sind, aber universal gelten, wobei die Werte der Konstanten scheinbar zufällige Werte haben, die aber genau so passen, dass interessante Sachen entstehen können. Dazu existiert noch eine bedeutende Anzahl an detaillierten psychophysichen Gesetzen, sodass plötzlich aus Materie Qualia entstehen, welche das Universum nochmal wesentlich interessanter machen.
Mir scheint schon, dass (1) eine einfachere und sparsamere Erklärung ist als (2), auch wenn (1) natürlich auch Fragen aufwirft.
Das Problem mit den Naturgesetzen: wenn die Naturgesetze wirklich einfach ein "brute fact" sind, muss man sich doch trotzdem fragen, warum dieser brute fact genau so ist, wie er ist (genauso wie man sich im obigen Beispiel fragen würde warum die Sterne ausgerechnet das Glaubensbekenntnis in den Himmel schreiben).
Ich könnte dir unzählige andere Naturgesetze nennen, die nichts Interessantes produzieren würden.
Zum Beispiel ungeordnete Universen: Das Universum könnte zum Zeitpunkt t=0 aus Kartoffeln bestehen, zum Zeitpunkt t=1 aus Fußbällen, zum Zeitpunkt t=3 aus andersfarbigen Fußbällen, etc... Oder es könnte sich genauso verhalten wie bisher nur dass ab morgen die Gravitation plötzlich stärker ist.
Wenn die Naturgesetze einfach ein brute fact sind, gibt es erstmal keinen Grund anzunehmen, dass sie ausgerechnet universal sind, also so dass sich "immer alles gleich verhält".
Jetzt kannst du sagen, solche Naturgesetze sind simpler. Aber ich kann dir auch unzählige noch simplere Naturgesetze nennen, die nichts Interessantes produzieren. Das Universum könnte nur aus 1000 Atomen bestehe, die sich alle gleich schnell in die gleiche Richtung bewegen. Es könnte leer sein. Es könnte statt aus 4 fundamentalen Kräften statt aus 3 bestehen. Z.B. könnte alles so sein wie wir kennen, nur dass es keine Gravitation gibt. Dann würden überhaupt nie größere Materiestrukturem entstehen. Oder die elektromagnetische Kraft könnte fehlen. Dann gäbe es keine Moleküle....
Und natürlich könnte auch alles so sein wie wir es kennen, nur dass die Naturkonstanten minimal anders sind. (klassisches Fine-Tuning Argument).
Ich denke, das Problem ist klar. Entweder, man sagt, die Naturgesetze könnten anders sein, dann benötigt man eine Erklärung. Oder man sagt, die Naturgesetze können nicht anders sein. Aber das macht fast genauso wenig Sinn wie zu sagen, das Christentum sei falsch, wenn die Sterne das Glaubensbekenntnis in den Himmel schreiben, "weil die Naturgesetze sind halt so".
Worin besteht der Unterschied zwischen einem solchen Universum und unserem? Wenn die Sterne das Glaubensbekenntnis schreiben, könnte man genauso sagen, vielleicht wird das irgendwann durch naturalistische Prozesse erklärt. Das wäre aber absurd. Warum soll das bei unserem Universum mit allen (feinabgestimmten) physischen und psychophysischen Gesetzen anders sein?
Letztendlich gibt es (mindestens) 2 große Probleme, die sich nicht naturwissenschaftlich erklären lassen: Die Naturgesetze (warum sind die genau so, dass Leben entstehen kann) und Bewusstsein/freier Wille.
Interessant ist: Wenn Gott ein geordnetes Universum erschaffen will, welches moralischen Wesen die Möglichkeit gibt, zwischen gut und böse zu wählen und dadurch ihren Charakter und die Welt um sich herum zu formen, sind das genau die beiden Punkte, wo wir keine wissenschaftliche Erklärung erwarten würden.(weil Naturwischenschaft ja gerade darauf beruht, Regelmäßigkeiten in einem geordneten Universum zu erforschen.)
Außerdem ist es bei beiden Punkten nicht einfach nur so, dass wir bisher keine Erklärung gefunden haben, sondern es gibt zumindest gute Argumente dafür, dass sie sich naturwissenschaftlich nicht erklären lassen oder dass eine naturwissenschaftliche Erklärung äußerst kompliziert wäre und auch einer Erklärung bedürfte. Diese Argumente sind also nicht einfach ein "God of the gaps"-Argument.
Ich empfehle das Buch "The existence of God" von Richard Swinburne. Da führt er diese Argumente aus und man sieht dass das nicht einfach nur "God of the Gaps" ist. Ich denke, jeder Atheist, der über Gott diskutiert, sollte das gelesen haben, genauso wie jeder Theist z.B. "The Miracle of Theism" von J.L. Mackie gelesen haben sollte.
Nur mal so als Gedankenanstoß. Ich hätte mich vor einem Jahr auch noch als überzeugter Atheist bezeichnet, sehe aber mittlerweile, dass es wirklich gute Argumente für den Theismus gibt. Ist eben alles nicht so klar, wie viele denken.
(vor 4 Wochen)
Ich wiederhole mich, wenn ich dir antworte, dass ein unlimitierter Gott, der unendlich komplex, allwissend und allmächtig ist, ungleich schwieriger zu erklären ist als die Existenz der Naturgesetze selbst (Stichwort Occam's razor). Siehe dazu auch: https://qr.ae/pYncTA
Und vielleicht ist ja etwas dran an der Multiversum-Theorie. Dann könnte es auch andere Universen geben, wo es andere Naturkonstanten gibt. Wir leben aber nun mal in diesem Universum und können nur diese Naturkonstanten beobachten. Wären die Naturkonstanten anders, gäbe es uns nicht und wir könnten nichts beobachten.
Ich glaube übrigens, dass die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass man plausible Erklärungen für die Naturgesetze und Bewusstsein/freier Wille findet, als dass man Gott entdeckt bzw. seine Existenz plausibel erklären kann. Es ist methodologisch problematisch, etwas als prinzipiell unerklärbar zu deklarieren, solange die Forschung dazu andauert.
Wenn für dich (1) plausibler ist, ist das voll okay. Du stehst dann nur vor einem Haufen anderer Probleme und Fragen. Und wie schon erwähnt: Meine Webseite richtet sich ja nicht an Theisten/Deisten, sondern an Christen.
(vor 4 Wochen)
“Ich wiederhole mich, wenn ich dir antworte, dass ein unlimitierter Gott, der unendlich komplex, allwissend und allmächtig ist, ungleich schwieriger zu erklären ist als die Existenz der Naturgesetze selbst (Stichwort Occam's razor).”
Wir verwenden andere Definitionen von “simpel. Es geht um “simple Erklärungen”, wie Philosophen den Begriff verwenden und nicht um simple Entitäten. Ein limitierter Gott wäre z.B. deutlich weniger simpel (man müsste die Limits irgendwie erklären) genauso wie eine große Anzahl und Naturgesetzen mit scheinbar willkürlichen Größen.
Die Multiversum-Theorie kann vielleicht das Fine-Tuning der Naturkonstanten erklären (auch hier gibt es Probleme), aber nicht das “a priori fine-tuning”.
“Es ist methodologisch problematisch, etwas als prinzipiell unerklärbar zu deklarieren, solange die Forschung dazu andauert.”
Nicht wenn man gute Gründe dafür anführt.
“Und wie schon erwähnt: Meine Webseite richtet sich ja nicht an Theisten/Deisten, sondern an Christen.”
Ja du hast Recht, vielleicht sollten wir das hier beenden. Ich dachte nur, ich bringe mal eine andere Perspektive ein. Danke für den netten Austausch und alles Gute dir!