Gott und die Erklärung der WeltRezension: Gott und die Erklärung der Welt

Rezension des Buches „Gott und die Erklärung der Welt: Christlicher Glaube oder atheistische Weltanschauung: Was ist vernünftiger?“ von Ralf B. Bergmann.

Gleich vorweg, beim Untertitel des Buches hätte man das Wort „Christlicher“ auch weglassen können, denn 95% der Argumente die Bergmann bring würden sich auf jeden beliebigen Gottheit (El, Anu, Brahma, Zeus usw.) beziehen, also nicht nur den christlichen Gott. Erst am Ende des Buches bringt er auf 5 von insgesamt 112 Seiten Argumente, besser gesagt Indizien, warum es für ihn der christliche Gott war, der ins Weltgeschehen eingegriffen hat. Die Indizien sind seines Erachtens der Auferstehungsbericht Jesu und die Wunder, die in der Welt geschehen. Dazu später mehr.

Laut Vorwort fragt das Buch „nach der besten Erklärung der Welt“ und „es geht darum zu zeigen, dass es gute Gründe gibt, an Gott zu glauben“ (S. 9).

In Kapitel 1 wird in aller Kürze das naturalistische Weltbild skizziert und behauptet, dass viele Menschen keinen Sinn und Bedeutung für das eigene Leben haben (S. 13). Abgesehen davon, dass man auch als Atheist sehr wohl Sinn und Bedeutung im Leben haben kann, müsste erstmal geklärt werden, warum es sinnhafter sein soll an einen imaginären Gott zu glauben und an die unbewiesene Wunschvorstellung an ein Leben nach dem Tod.

In Kapitel 2 werden Argumentations-Stolpersteine aufgezeigt und der Tipp gegeben „Verlangen Sie also Argumente und lassen Sie die Argumente für sich sprechen“ (S. 19). Es wird nochmals detaillierter auf den Naturalismus eingegangen und gezeigt, dass zwischen Christentum und Naturwissenschaft angeblich kein Konflikt besteht. „Der eigentliche Konflikt besteht zwischen verschiedenen Weltanschauungen“ (S. 24), also zwischen Atheismus und Christentum. Dass die Bibel aber fundamentalen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht (Schöpfung in 6 Tagen vs. 13,8 Milliarden Jahren, Schaffung des Menschen aus Staub/Rippe vs. Abstammung des Menschen vom Tier, Sintflut ja oder nein usw.) wird dabei nicht näher beleuchtet.

Anhand religionsphilosophischer Überlegung wird gesagt, dass „wenn es einen Gott gibt, dann muss er unverursacht sein. Ansonsten könnte man in einem unendlichen Regress (Rückschritt) fragen, wer oder was Gott verursacht hat“ (S. 26) Was beim Universum nicht gelten darf, darf also für Gott sehr wohl gelten. Dass ein unverursachter Gott aber logisch unmöglich ist, zeigt die Widerlegung des Kalams-Arguments (s.u.). Unverständlich ist auch die Aussage „Dabei darf er (Gott) natürlich nicht selbst Teil eines Planes sein“, da ja gerade das Christentum damit argumentiert, dass Gott mit Jesus (also sich selbst) einen Plan mit der Menschheit hat.

In Kapitel 3 wird u.a. die Frage beantwortet „Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts?“ (S. 38). Dazu werden zwei kosmologische Argumente (Gottesbeweise) vorgestellt: Leibnitz und Kalam, welche beide behaupten es müsse einen letzten Grund der Dinge geben, der außerhalb der Welt liegt und somit käme nur Gott in Frage. Oder anders gesagt, dass „etwas mit einem zeitlichen Anfang seiner Existenz eine Ursache [Gott] haben muss“ (S. 40).

Dass sämtlichen Gottesbeweisen die Schlüssigkeit in der Beweisführung fehlt, sollte man eigentlich seit Kant wissen und trotzdem versucht es Bergmann hier aufs Neue. Eine Widerlegung des „Kalam-kosmologische Argument“ finden sich detailliert bei Volker Dittmar: https://dittmar-online.net/kalam1.html

Interessanterweise gesteht Bergmann in dem Kapitel, dass er als Physiker sehr wohl an eine alte Erde bzw. das Urknall-Modell glaubt, wie folgende Aussagen zeigen: „Die grundlegende Idee des sogenannten ‚Urknall‘-Modells, das sich heute als kosmologisches Standardmodell durchgesetzt hat, ist daher empirisch gut belegt…“ (S. 41) und „Aus diesen und vielen anderen Beobachtungen haben Physiker das Alter des Universums auf ca. 13,8 Milliarden Jahre berechnet“ (S. 42). Der einzige Unterschied ist, dass für Bergmann das Universum durch ein Eingreifen Gottes ins Dasein gerufen wurde: „Vor unvorstellbar langer Zeit entstand das Universum durch einen Schöpfungsakt Gottes“ (S. 87). Wie er das theologisch und biblisch argumentieren kann, wäre interessant, da die Bibel nun Mal eindeutig von 6 Tagen spricht, wie 2. Mose 20,11 und auch Richard Wiskin in seinem Buch „Die Bibel und das Alter der Erde“ beweisen.

Ob Bergmann an eine Theistische Evolution glaubt, gibt das Buch nicht eindeutig her (eventuell in Kap. 3.4 angedeutet). Interessant wäre mit welchen Argumenten er die biblische Grundthese „der Tod kam erst durch die Sünde Adams in die Welt“ (Röm. 5,12-14) aushebeln möchte?

Bergmanns Argument aus Kapitel 3.1 lautet in etwa so: Niemand kann plausibel erklären, wie aus „Nichts“ ein „Etwas“ entsteht und weil es dafür keine Erklärung gibt, deswegen muss es Gott gewesen sein. Damit hat er in gewisser Weise Recht, wir wissen nicht, warum das Universum vor knapp 14 Mrd. Jahren seinen Anfang nahm. Wir kennen den Auslöser dafür nicht. Aber vor demselben Problem stehen ja auch sämtliche Personen, die sich stattdessen auf einen Gott berufen. Auch hier kann niemand plausibel erklären, wie Gott entstanden ist. Das Problem wird im Christentum einfach nur ausgeblendet.

In 3.2 bringt Bergmann das „Fine-Tuning Argument“ und behauptet „Die Idee, dass die Struktur des Universums von einem Schöpfer so gestaltet wurde, damit wir darin existieren können, bleibt also naheliegend“ (S. 51). Dass dieses Argument aber ebenso schlecht ist, zeigt abermals Volker Dittmar: https://dittmar-online.net/finetuning.html der zu dem Schluss kommt „Genau genommen handelt es sich um einen Beweis, dass das Universum ohne äußeren Eingriff auf natürliche Weise entstand!“. Siehe dazu auch: Responding to the "Fine Tuning" Argument for God (Sean Carroll)

In 3.3. bringt Bergmann Argumente, warum für ihn die Idee von Multiversen nicht plausibel ist. Da diese Theorien hochkomplex und äußerst spekulativ sind, kann man das so stehenlassen.

In 3.4 geht Bergmann auf die Frage ein woher Leben, Bewusstsein und Vernunft kommen. Undeutlich bleibt dabei ob Bergmann nun an eine Evolution des Menschen glaubt oder nicht. Einen Kurzzeitkreationismus schließt er scheinbar aus: „Hier steht auf der einen Seite vor allem ein oft dogmatischer ‚Kurzzeitkreationismus‘, der die Schöpfung in sieben wörtlichen Tagen und die Geschichte des Kosmos in einem Zeitraum von typischerweise weniger als 10.000 Jahren beschreibt und damit einen hohen Glaubwürdigkeitsverlust für den christlichen Glauben hervorgebracht hat.“ (S. 61) Scheinbar ist es für Bergmann möglich in den Bibelvers aus 1. Mose 1,24 „die Erde bringe hervor“ beliebig viele Jahre hinein zu packen, was der Kontext (vor allem der Vers davor) aber ausschließt. Er zitiert dann den Philosoph Alvin Plantinga um anzudeuten, dass es ja keinen Konflikt zwischen biblischen Bericht und Evolution gibt: „Die wissenschaftliche Theorie der Evolution als solche ist nicht inkompatibel mit christlichem Glauben; inkompatibel ist die Idee, dass Evolution, natürliche Selektion, ungeleitet ist.“ (S. 62)

In Kapitel 4 möchte Bergmann zeigen, dass „Gott auch in der Geschichte oder gar heute in die Welt eingreifen kann oder eingreift“ (S. 66). Es gehört hier aber nicht viel Fantasie dazu, dass wenn man an einen allmächtigen Gott glaubt, es für ihn auch natürlich möglich ist in die Geschichte der Welt einzugreifen. Interessanterweise zitiert Bergmann 1. Kor. 15,4-6 wo es heißt „Er [Christus] wurde begraben, und drei Tage danach hat Gott ihn von den Toten auferweckt – auch das in Übereinstimmung mit der Schrift“ (S. 67). Dass es sich hier allerdings um eine reine Behauptung von Paulus handelt und es keine Prophetie im AT gibt, welche davon spricht, dass der Messias am dritten Tag auferweckt wird, scheint Bergmann nicht aufgefallen zu sein.

Bergmann bringt dann einige Beispiele, warum eine Eingreifen Gottes nicht den Naturgesetzen widerspricht und hält fest: „Der Ausschluss der Möglichkeit transzendenter Intervention ist ein metaphysisches Postulat, es kann nicht aus der Physik selbst hergeleitet werden“ (S. 80).

In 4.3 bring Bergmann dann endlich Indizien, warum mit Gott, von dem die ganze Zeit die Rede ist, der christliche Gott der Bibel gemeint ist. Für ihn ist es die „Glaubwürdigkeit der Auferstehung Jesu“ (S. 81). Das leere Grab, die Erscheinungen Jesu nach der Kreuzigung und das veränderte Leben der Jünger nach der Auferstehung sind für ihn der Beweis, dass der biblische Bericht wahr ist.

Er behauptet „Die Sachlichkeit und bemerkenswerte Details dieser Berichte sprechen für ihre Glaubwürdigkeit“ (S. 82), vergiss dabei aber, dass es in den Auferstehungsberichten große Unterschiede gibt, die sich nicht harmonisieren lassen, wenn man gerade auf die Details achtet, wie ich hier zeige: Widersprüche im synoptischen Auferstehungsbericht Jesu. Ebenso vergisst Bergmann auch auf all die Berichte, die eben nicht für die Glaubwürdigkeit der Bibel sprechen (z.B. die Überlieferungsgeschichte, den Sintflutbericht oder generell die Widersprüche in der Bibel). Siehe dazu auch: Are the Gospels Historically Reliable? The Problem of Contradictions (Bart D. Ehrman).

Weiters wird behauptet, die Leser hätten ja die hunderten Augenzeugen der Auferstehung befragen können (S. 83). Wenn Paulus allerdings im Korintherbrief behauptet, dass Jesus 500 Brüdern auf einmal erschienen ist (1. Kor. 15,6), frage ich mich, wie die Korinther denn diese Behauptung hätten überprüfen können. Sie können ja schwerlich von Korinth aus in Jerusalem anrufen und die namentlich nicht genannten Personen befragen denen angeblich 20 Jahre zuvor Jesus erschienen ist.

Auch wird behauptet, dass alle Jünger (bis auf Johannes) für ihren Glauben hingerichtet worden sind. Von dieser Behauptung liest man allerdings in der Bibel selbst nicht viel. Stattdessen findet man sie in diversen apokryphen und legendenhaften Büchern (Thomasakten, Petrusakten, Andreasakten) und bei den Kirchenvätern. Siehe dazu meine Ausarbeitung: Starben die Apostel als Märtyrer?

Weiters beruft sich Bergmann dann auf den Neutestamentler Craig S. Keener, welcher ein zweibändiges Werk namens „Miracles“ geschrieben hat, in welchem er „Wunder in der Antike, inklusive christlicher Wunderberichte und schließlich Wunderberichte weltweit und bis in die Gegenwart“ (S. 83) untersucht und auf den Journalisten Eric Metaxas mit seinem Buch „Wunder – Entdeckungen eines Skeptikers“. Auf die angeblichen Wunder wird nicht näher eingegangen, somit muss jeder selbst entscheiden, ob die Wunderberichte für ihn plausibel sind oder nicht. Tatsache ist jedoch, dass noch niemanden nachweislich ein Arm oder ein Fuß nachgewachsen ist. Wunder und Heilungen im Namen Gottes sind heutzutage physisch meist nicht nachweisbar und können genauso gut mit dem Placebo-Effekt erklärt werden. Außerdem wäre die Heilung durch einen Reiki-Meister oder durch einen indischen Guru ja auch noch kein Beweis für die Richtigkeit ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung.

Bergmann schließt mit der äußerst realitätsfremden Aussage: „Eine grundsätzliche Ablehnung der Möglichkeit von Wundern ist meines Erachtens wissenschaftsfeindlich. Sie verhindert neue Erkenntnisse, die Entwicklung neuer Methoden oder Herangehensweisen an ungewöhnliche Beobachtungen und die gegenseitige Befruchtung wissenschaftlicher Disziplinen, die davon profitieren könnten.“ (S. 85) Welche neue Erkenntnis oder Methode hat denn der Glaube an Übernatürliches und an Wunder gebracht? Mir fällt da nicht viel ein. Eher das Gegenteil ist der Fall! Biblischer Glaube ist oft wissenschaftsfeindlich, denn warum sollte man z.B. Evolutionsbiologie betreiben, wenn man doch glaubt Gott hat alles geschaffen und man Makroevolution sowieso ablehnt. Siehe dazu auch die Kritik am Intelligent Design von Thomas Waschke.

Als Fazit des Buches lässt sich sagen, dass Bergmann sich hauptsächlich auf das Argument „von nichts kommt nichts“ stützt, welches er mit bereits widerlegten kosmologischen Argumenten zu untermauern versucht. Sämtliche Argumente, die gegen einen Gott sprechen werden anscheinend ausgeblendet und der einzige Beweis für den christlichen Gott ist der Auferstehungsbericht in der Bibel, den sich Bergmann nicht anders erklären kann und er deshalb wahr sein muss.