Stephanus und das fiktive Grab Abrahams in Sichem (Apostelgeschichte 7,15-16)
In Apg. 7,15-16 behauptet Stephanus, dass Abraham eine Grabstätte in Sichem von den Söhnen Hamors gekauft habe. In dieser Darstellung gibt es gleich mehrere Probleme.
Problem 1: Es findet sich kein Hinweis darauf im Alten Testament, dass Abraham von den Söhnen Hamors eine Grabstätte in Sichem gekauft hat. Das AT kennt nur ein Grab, welches von Abraham gekauft wurde, nämlich das in Machpela in der Nähe von Mamre (1. Mo. 23) und dieses kaufte er von Ephron dem Hetiter. In diesem Familiengrab wurde Sara (1. Mo. 23,19), Abraham (1. Mo. 25,9); Isaak (1. Mo. 35,27-29), Rebekka und Lea (1. Mo. 49,31) und Jakob (1. Mo. 50,13) begraben.
Joseph hingegen, der Urenkel Abrahams, wurde in einem anderen Grab begraben, nämlich in Sichem (gekauft von Jakob von den Söhnen Hemors/Hamors - siehe 1. Mo. 33,18-19; Jos. 24,32). Demnach verwechselt Stephanus die Begebenheiten. Er glaubt das Grab wurde von Abraham gekauft, obwohl es von Jakob gekauft wurde und es wurde nicht Jakob in Sichem begraben, sondern Joseph.
Von Christen wird hier oft eingewandt, dass Abraham ja trotzdem ein weiteres Grab in Sichem gekauft haben könnte, auch wenn es nicht in der Bibel steht. Darauf ist folgendes zu antworten:
- Das Abraham in Sichem war wird nur kurz in 2 Versen in 1. Mo. 12,6-7 erwähnt. Er war damals noch jung (erst ca. 40% seines Lebensalters war verbraucht) und Gott hatte noch Großes mit ihm vor. Warum sollte er sich also hier zu diesem Zeitpunkt ein Grab kaufen?
- Warum sollte sich Abraham dann noch ein zweites Grab in Hebron kaufen, wenn er bereits eines in Sichem besessen hat? Nichts in der Geschichte in 1. Mo. 23 deutet darauf hin, dass er ein bereits ein Grab besitzt. Hätte er zu diesem Zeitpunkt bereits ein Grab gehabt, hätte er Sara ja einfach dort begraben können. Da er das nicht macht, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass er also bereits ein Grab besessen hat.
- Warum sollte Jakob (Jos. 24,32) dasselbe Grab nochmals kaufen, wenn es bereits in Besitz seines Großvaters Abraham war?
- Wenn es einen weiteren Grab-Kauf gab, woher soll Stephanus das wissen, wenn es biblisch nicht überliefert wurde?
Problem 2: Abraham und die Söhne Hamors lebten zu unterschiedlichen Zeit (vgl. 1. Mo. 34,26), demnach kann er gar nicht ein Grab von Ihnen gekauft haben.
Hamor und Sichem lebten zu einer Zeit, wo Jakob bereits 11 Söhne hatte und mindestens eine Tochter (nämlich Dina) in heiratsfähigem Alter. Wobei aus 1. Mo. 30,21 hervorgeht, dass Dina die jüngste war. Sichem, der sich in Dina verschaut hatte müsste demnach so alt bzw. etwas älter wie Dina sein (vgl. 1. Mo. 34,19). Ebenso musste Jakob bereits Enkeltöchter gehabt haben (1. Mo. 34,21b). Die Begebenheit in 1. Mo. 34 spielt sich also zu einer Zeit ab, als Abraham bereits seit über 80 Jahren Tod war. Die Begebenheit, wo Abraham in Sichem war(1. Mo. 12,6), ist demnach 180 Jahre her. Wie soll Abraham da mit den Söhnen(!) Hamors über ein Grab verhandelt haben? Das geht sich Zeitlich beim besten Wille nicht aus!
Da sich Stephanus auch in anderen Aussagen irrt, z.B. V. 6 (400 vs. 430 Jahre) oder V. 14 (70 vs. 75 Seelen), ist es naheliegend, dass er sich auch hier geirrt hat.
Jakob aber zog hinab nach Ägypten und starb, er und unsere Väter; und sie wurden nach Sichem hinübergebracht und in die Grabstätte gelegt, welche Abraham für eine Summe Geldes von den Söhnen Hemors, des Vaters Sichems, kaufte.
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Und die Gebeine Josephs, welche die Kinder Israel aus Ägypten heraufgebracht hatten, begruben sie zu Sichem auf dem Stück Feld, welches Jakob von den Söhnen Hemors, des Vaters Sichems, gekauft hatte um hundert Kesita; und sie wurden den Kindern Joseph zum Erbteil.
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Lösungsvorschläge
(vor 11 Monaten)
Das macht die Bibel doch erst richtig glaubwürdig. Wir machen als Menschen alle Fehler. Und hier beichtet die Bibel einfach eine Erzählung von Stephanus, in der er sich möglicherweise geirrt hat. Es ist hier kein Dogma der Bibel oder eine Schilderung eines Sachverhaltes, sondern eine Wiedergabe einer Rede eines fehlbaren Menschen.Wenn die Rede glaubwürdig wiedergegeben ist, muss sie Fehler der fehlbaren Diener Gottes enthalten.
Anders, wenn die Bibel berichtet was in der Geschichte geschieht. Hier muss die Bibel absolut zugehörig sein.
(vor 11 Monaten)
Ein Fehler macht die Bibel glaubwürdig? Okay, interessanter Einwand. Sie würden also zugeben, dass Stephanus sich geirrt hat?
Dass die Bibel sich sehr wohl auch in der Geschichte irrt, zeige ich beispielsweise hier bei der Sintflut oder hier beim Buch Daniel.
(vor 11 Monaten)
Jakob kaufte in Sichem von den Söhnen Hemors ein Grundstück
Da wurden Josephs (Josua 24,32) begraben
Familiengrab von Kindern Joseph
Abraham kaufte in Machpela in der Nähe von Mamre (1. Mo. 23) von Ephron dem Hetiter ein Grundstück
Da wurde Sara (1. Mo. 23,19), Abraham (1. Mo. 25,9); Isaak (1. Mo. 35,27-29), Rebekka und Lea (1. Mo. 49,31) und Jakob (1. Mo. 50,13 Apostelgeschichte 7,15-16) begraben.
Familiengrab von Abraham
(vor 11 Monaten)
Und wie löst ihr Kommentar jetzt den Widerspruch das Stephanus behauptet „die Grabstätte […], welche Abraham für eine Summe Geldes von den Söhnen Hemors, des Vaters Sichems, kaufte.“?
(vor 11 Monaten)
Da sich die Apostelgeschichte 7,16 auf die Begräbnisse von Jakob und Joseph bezieht (Vers 7,15 er und unsre Väter) und da sie an verschiedenen Orten begraben wurden, ist es auf beide Orte bzw. Gräber bezogen.
Familiengrab von Abraham Jakob und seine Söhne wurden nämlich „in das Grab gelegt, das Abraham gekauft (Sara (1. Mo. 23,19), Abraham (1. Mo. 25,9); Isaak (1. Mo. 35,27-29), Rebekka und Lea (1. Mo. 49,31) und Jakob (1. Mo. 50,13 Apostelgeschichte 7,15-16) begraben).
Familiengrab von Kindern Joseph Und die Gebeine Josephs, welche die Kinder Israel aus Ägypten heraufgebracht hatten, begruben sie zu Sichem auf dem Stück Feld, welches Jakob von den Söhnen
(vor 11 Monaten)
„er und unsre Väter“ bezieht sich auf die Personen, die nach Ägypten gezogen sind und auch dort gestorben sind. Also auf Jakob und Joseph.
Und diese Personen wurden nicht in „in die Grabstätte gelegt, welche Abraham für eine Summe Geldes von den Söhnen Hemors, des Vaters Sichems, kaufte.“!
Demnach ist das, was Stephanus behauptet, falsch!
(vor 3 Jahren)
Stephanus hat sich bezüglich der 400 und 430 Jahre keinesfalls geirrt, genauso wenig wie in Bezug auf Jakobs und Josephs Begräbnisstätte.
Wer hat von den Söhnen Hemors das Grab in Sichem gekauft?
Josua 24, 32 sagt Jakob, aber Apostelgeschichte 7, 16 sagt Abraham.
Fehler: Versäumnis, den Text sorgfältig zu lesen.
Jakob kaufte von den Söhnen Hemors ein Stück Land in Sichem, in dem Joseph später begraben wurde (Josua 24, 32).
Abraham hatte zuvor von Ephron dem Hethiter ein anderes Feld gekauft.
Dieses Feld war in der Nähe von Mamre.
Eine Höhle in diesem Feld diente als Grabstätte, in der Abraham, Sarah, Isaak, Rebekka und Jakob begraben wurden (1. Mose 49, 29-31; 50,13-14).
Die offensichtliche Schwierigkeit liegt in Apostelgeschichte 7,16, wo Stephanus den Kauf des Landes in Sichem anscheinend eher Abraham als Jakob zuzuschreiben scheint.
Wenn ja, widerspricht sich die Bibel? Gar nicht.
Es ist kein Widerspruch zu sagen: „'X' und Stephanus sagt ‚nicht-X‘.“
Die Bibel behauptet nirgendwo, dass Jakob das Grundstück in Sichem nicht gekauft hat. Vielmehr zeichnet es unfehlbar auf, was Stephanus sagte (Apostelgeschichte 6, 8; 7, 2; 16).
Davon abgesehen ist es höchst unwahrscheinlich, dass Stephanus sich geirrt hat – er kannte sich sehr gut mit der Geschichte des Alten Testaments aus.
Außerdem ist die Aufzeichnung von Stephanus Rede wahrscheinlich gekürzt.
Das heißt, die Heilige Schrift zeichnet nur die Höhepunkte auf, nicht jedes Wort.
Vor diesem Hintergrund sehen wir in Vers 15, dass Stephanus alle Patriarchen anspricht, die nach Ägypten gingen – nicht nur Joseph.
Und während Joseph in Sichem in dem von Jakob gekauften Land begraben wurde, war Jakob es nicht.
Wo wurde Jakob begraben? Er wurde auf dem von Abraham gekauften Feld Machpela in der Nähe von Mamre begraben (1. Mose 49, 29-31; 50, 13-14).
Da sich Apostelgeschichte 7, 16 auf die Begräbnisse von Jakob und Joseph bezieht (siehe Vers 15) und da sie an verschiedenen Orten begraben wurden,
ist es wahrscheinlich, dass sich dieser Vers kompakt auf beide Orte bezieht.
Jakob und seine Söhne wurden nämlich „in das Grab gelegt, das Abraham gekauft hatte [und in dem Grab, das Jakob gekauft hatte] für einen Geldbetrag von den Söhnen Hemors in Sichem“.
Dieses Verständnis beseitigt jede offensichtliche Schwierigkeit.
Wo wurde Jakob begraben?
Genesis 50, 13 sagt in Machpela, aber Apg 7, 15-16 sagt in Sichem.
Versäumnis, den Text sorgfältig zu lesen.
Jakob wurde in einer Höhle in Machpela in Hebron in der Nähe von Mamre begraben (1. Mose 50:13).
Kein Vers sagt etwas anderes.
In Apostelgeschichte 7, 15-16 sagt Stephanus, dass „unsere Väter“ – nicht Jakob – in Sichem begraben wurden.
Im griechischen Originaltext steht das Verb „gestorben“ im Singular und bezieht sich daher auf Jakob, obwohl auch die Väter jedes Stammes starben.
Aber das Verb „wurden getragen“ steht im Plural und bezieht sich somit auf „die Väter“ (Joseph und seine Brüder) und schließt Jakob nicht zwangsläufig ein.
[Aus: Dr. Jason Lisle, Refuting Alleged Biblecontradictions]
(vor 8 Monaten)
Ich gebe einen Artikel aus "Bibelbund" wieder:
Von wem kaufte Abraham ein Grab?
Frage: Von wem kaufte Abraham das Grab für Sara, vom Hetiter Efron wie 1Mo 23 sagt oder von den Söhnen Hamors wie es in Apg 7,16 heißt?
Im Text Apostelgeschichte 7,16 heißt es, dass Jakob und die Erzväter Israels in dem Grab beerdigt wurden, das Abraham in Sichem von den Söhnen Hamors gekauft hatte. Beweist nicht dieser eindeutige Irrtum, dass die Bibel doch mindestens einen Fehler enthält?
Die Ungereimtheit oder den Widerspruch entdeckt man im Bibelvers nur, wenn man die alttestamentlichen Abschnitte kennt und vergleicht. Dann aber ist die Sache sehr deutlich und die Frage ist berechtigt, ob sich der Vers nicht am besten damit erklären lässt, dass Lukas ein Gedächtnisfehler unterlaufen ist oder er etwas verwechselt hat. Bei genauer Betrachtung aber zeigt sich, dass die Erklärung mit dem Gedächtnisfehler oder einem Irrtum des Lukas auch nicht gut funktioniert und so kann der Vers wirklich Kopfzerbrechen bereiten. Darum einmal der Reihe nach.
Abraham kaufte eine Begräbnishöhle für seine Frau Sara bei Mamre in der Nähe von Hebron. Der Besitzer des Ackers, auf dem sich die Höhle befand, hieß Efron und wird als Hetiter bezeichnet (1Mo 23). Das Ganze wurde mit einem Vertrag öffentlich bestätigt. Damit besaß Abraham ein erstes vererbbares Stückchen Land in dem Land, das Gott seinem Nachkommen versprochen hatte und das einmal das Land Israel sein sollte. In dieser Höhle von Machpela östlich von Mamre beerdigte Abraham zuerst seine Frau Sara, und später wurde er selber von seinen Söhnen Isaak und Ismael dort bestattet (1Mo 25,9+10).
Auch Jakob kaufte ungefähr 120 Jahre später, wie sein Großvater, nach seiner Versöhnung mit seinem Bruder Esau ein Stück Land, das er den Söhnen von Hamor für 100 Kesita (eine alte Währung) abkaufte. Zu diesen Söhnen gehörte namentlich auch Sichem, der Dina, die Tochter Jakobs, erst vergewaltigte und dann heiraten wollte. Darum töteten Simeon und Levi neben Hamor und Sichem die männlichen Einwohner der Stadt, die nach Sichem benannt war (1Mo 33).
Bei Sichem hatte Abraham, als er zum ersten Mal ins Land Kanaan gezogen war, auch einen Altar gebaut, nachdem ihm Gott erschienen war (1Mo 12,6+7). Wie mit dem Bau des Altars hatte Abraham auch mit dem Kauf der vererbbaren Begräbnisstätte zum Ausdruck gebracht, dass er der Zusage Jahwes glaubte, der werde das Land seinen Nachkommen geben.
Als Isaak starb, wurde er von Jakob und Esau in der Grabhöhle bei Mamre bestattet (1Mo 35,27-29). Auch als Jakob in Ägypten starb, wollte er nicht in Ägypten, sondern im von Gott versprochenen Land beerdigt werden und zwar ausdrücklich in der Höhle, die Abraham gekauft hatte (1Mo 47,29-31). Josef ließ ihn nach seinen Tod aufwendig einbalsamieren, damit er zur Höhle gebracht werden konnte, die Abraham als Begräbnisstätte bei Mamre gekauft hatte (1Mo 50,13). Das geschah dann auch nach einigen Wochen der Trauer. Als schließlich auch Josef starb, hatte er Anweisung gegeben, auch einbalsamiert zu werden. Und eines Tages, wenn Gott sein Volk ins versprochene Land Kanaan bringen würde, dann sollte man seine Mumie bzw. seine Knochen mitnehmen und erst in Kanaan endgültig bestatten. Da sein Vater Jakob ihm das Landstück bei Sichem vererbt hatte, wollte er wohl dort und nicht auch in Machpela bestattet sein (1Mo 48,22; Joh 4,5). Das tat dann Mose auch, denn nach knapp 400 Jahren war die Bitte Josefs noch wach (2Mo 13,19). Den Sarg Josefs führten die Israeliten über 40 Jahre auf ihrer Wüstenwanderung mit sich und bestatteten seine Überreste nach dem Einzug ins versprochene Land Kanaan auf dem Feld bei der Stadt Sichem, das Jakob von den Söhnen Hamors gekauft hatte (Jos 24,32). Das Landstück gehörte jetzt zum Stammesgebiet von Manasse, einem der Söhne Josefs.
Wo und wie die anderen Erzväter beerdigt wurden, darüber sagt das AT nichts. Lukas klingt aber so, als ob sie es alle dem Vorbild von Jakob nachgemacht hätten und auch in Kanaan beerdigt werden wollten. Der Schriftsteller Josephus, der nur wenig später als Lukas schrieb, merkt in einer Notiz an, dass die anderen Erzväter in Hebron beerdigt wurden:
„Auch seine Brüder starben, nachdem sie glücklich gelebt hatten in Ägypten. Deren Leichname brachten nach einiger Zeit ihre Nachkommen und deren Kinder zum Begräbnis nach Hebron; Josephs Gebeine hingegen brachten die Hebräer später, als sie aus Ägypten auswanderten, nach Kanaan: So hatte Joseph es sie schwören lassen“ (Jüdische Altertümer 2,199-200).
Das klingt so, also ob die anderen Erzväter nicht für so lange wie Joseph einbalsamiert waren, sondern wie Jakob in der frühen Zeit des Ägyptenaufenthalts auf dem von Abraham gekauften Gelände beerdigt wurden. Der Überlieferung nach sind aber mit Josef seine Söhne bei Sichem beerdigt.
In den Versen Apostelgeschichte 7,15-16 sind diese Ereignisse so zusammengefasst, dass der Satz unseren modernen Ohren fehlerhaft vorkommen muss. Die Zusammenfassung hat aber den Sinn, eine bestimmte Aussage zu betonen. Betrachten wir die Elberfelder Übersetzung:
„Jakob zog nun nach Ägypten hinab und starb, er und unsere Väter; und sie wurden nach Sichem hinübergebracht und in die Grabstätte gelegt, die Abraham für eine Summe Geld von den Söhnen Hamors in Sichem gekauft hatte“.
Wenn man einen Gedächtnisfehler bei Lukas annehmen wollte, dann müsste man gleich eine ganze Reihe von Fehlern vermuten und zwar solche Fehler, die jedem jüdischen Hörer, der doch die Grabstätten der Väter aus eigener Anschauung kannte, in den Ohren geklingelt haben müssen. Das Grab der Erzväter hatte bereits Herodes groß ausbauen lassen und es war eine Pilgerstätte, deren bauliche Wurzeln noch heute zu erkennen sind. Aber auch jeder Kenner der alttestamentlichen Stellen wird Lukas hier keine „naheliegende Verwechslung“ der Orte Machpela/Hebron und Sichem unterstellen, wie es manche Ausleger tun. Auch eine einfache Verschreibung der Namen kann man kaum annehmen. Es würde eben nichts bringen, den Namen „Abraham“ gegen „Jakob“ auszutauschen. Man hätte ein Problem scheinbar gelöst, aber ein neues geschaffen, denn Jakob und die meisten der Erzväter wurden doch in der Höhle bestattet, die Abraham gekauft hatte, aber Josef und seine Söhne eben in Sichem. Außerdem ist doch die ganze Stephanuspredigt so voller Details aus dem AT, dass man nicht sagen kann, hier habe jemand mit ungenauer Kenntnis der Schriften nur ungefähr die Geschichte zusammengeschrieben.
Dass der Vers in der Textüberlieferung kaum Probleme gemacht hat, deutet darauf hin, dass die meisten Abschreiber kein Problem erkannt haben. Ansonsten könnte man erwarten, dass ein Abschreiber „Verbesserungen“ versucht hätte. Darum meine ich auch, dass man in folgender Richtung denken muss, um eine Lösung für das Problem zu formulieren.
Der Vers, der für uns missverständlich und widersprüchlich klingt, sollte als absichtsvolle starke Zusammenfassung eines vielgestaltigen Prozesses, der sich ja über hunderte Jahre hinzog, verstanden werden.
Es hilft, wenn man den Vers als absichtsvolle starke Zusammenfassung eines vielgestaltigen Prozesses, der sich ja über hunderte Jahre hinzog, liest. Damit haben wir die Aufgabe, sowohl die Art der Zusammenfassung nachzuvollziehen als auch die Absicht in der Predigt von Stephanus zu erkennen, die zu dieser Verkürzung geführt hat. Leider ist das in den meisten Übersetzungen des Verses nicht mehr zu erkennen.
Zuerst einmal würde ich darum nicht, wie es in den meisten Übersetzungen gemacht wird, die beiden ersten Satzteile von Vers 16 als Folge übersetzen, sondern als parallele Glieder:
„Und sie wurden nach Sichem gebracht und sie wurden in das Grab gebracht, das Abraham gekauft hatte“.
Das „und … und“ kann man auch mit „sowohl … als auch“ übersetzen. Das hieße dann:
„Sie [die Väter und von diesen Josef und seine Söhne Manasse und Ephraim] wurden sowohl nach Sichem gebracht als auch wurden sie [nämlich Jakob und die anderen Erzväter] in das Grab gebracht, das Abraham gekauft hatte.“
Wegen der starken Zusammenfassung der Vorgänge finde ich es berechtigt, mit dem letzten Satzteil erst nach einem Punkt wieder zu beginnen. Im griechischen Original gibt es ja keine Satzzeichen, teilweise waren nicht einmal die Wörter durch Leerzeichen getrennt.
„Für den Gegenwert in Geld [wurde gekauft] von den Söhnen Hamors in Sichem.“
Die beiden 120 Jahre auseinanderliegenden Kaufvorgänge sind dann in dem einen von Sichem zusammengefasst. Das hat seinen Grund vielleicht darin, dass Abraham in Sichem auch schon mit dem Altarbau zum Ausdruck gebracht hatte, dass er den Zusagen Gottes auf das versprochene Land vertraut, obwohl er ursprünglich, wie Stephanus betont, „nicht einen Fußbreit“ des Landes besaß (7,5). Dass Stephanus in seiner Predigt aber die Grabstätte bei Sichem betont, liegt vor allem daran, dass das zur seiner Zeit im Gebiet der Samaritaner lag, mit denen die Juden nicht einmal sprechen wollten, um sich mit diesen Götzendienern, die auf dem Berg Garizim einen Ersatztempel gebaut hatten, nicht zu verunreinigen (Joh 4,9; Das Grab Sichem liegt nicht weit von dem Jakobsbrunnen). Stephanus will ihnen aber in seiner Predigt zeigen, dass ihr Tempeldienst in Jerusalem selber Götzendienst ist (7,43+48), weil sie dem wahren Gott nicht gehorchen.
Wenn man also den Vers einmal liest, wie ihn die Bibelkundigen ersten Hörer gehört haben, dann geht das so. Dabei halte ich mich erstens nah am griechischen Wortlaut und der Wortfolge und ergänze, was mitklingt, in eckigen Klammern.
„Jakob zog nicht nur hinab nach Ägypten, er beschloss dort auch [sein Leben]. Er selbst genauso wie unsere Stammväter. [Nach ihrem Sterben, das nach und nach über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren geschah] wurden sie [nämlich Josef und seine Söhne] sowohl gebracht nach Sichem als auch gebracht [nämlich Jakob und die anderen Erzväter] in die Grabstätte, die Abraham gekauft hatte. [Diese Gräbstätten wurden gekauft] für den Gegenwert von Geld von den Nachkommen Hamors in Sichem [und von Efron, dem Hetiter, in Hebron].“
Wenn man den Sachverhalt so nachvollzieht, kann man meiner Ansicht nach gut verstehen, dass weder Lukas bei der Niederschrift der Stephanusrede einen Widerspruch sah noch die frühen Leser. Für uns aber ist es mit Mühe verbunden, aber nicht unmöglich, uns in die Gedanken zu vertiefen und den Sinn nachzuvollziehen.